Jugendrotkreuz – „Ein Ort voller motivierter Weltverbesserer“
Nachwuchsorganisation mit einer Bandbreite an Themen und Aktivitäten
Das Jugendrotkreuz bietet Kindern und Jugendlichen eine Bandbreite an Themen und Aktivitäten. Aufgrund des Lockdowns lagen diese in den vergangenen Monaten weitgehend auf Eis. Nun startet die Nachwuchsorganisation neu durch.
„Wenn wir mit dem Kreuz unterwegs sind, dann vertreten wir die Grundsätze“, sagt Sandra Kersten mit Nachdruck. Gemeinsam mit Vincent Diekmann und Leon Maahs bildet die 25-Jährige die Kreisleitung des Jugendrotkreuzes (JRK) Celle.
Wie gestaltet sich eine solche Aufgabe im Einzugsbereich des DRK-Kreisverbandes Celle? Lea Giese ist eine der insgesamt 100 jungen Menschen zwischen sechs und 27 Jahren, die in Stadt und Landkreis in einer Handvoll JRK-Gruppen aktiv sind und von der Kreisleitung begleitet werden. „Eine Freundin hat mir davon erzählt, ich bin einmal mitgegangen, und mir gefiel es“, berichtet die 15-Jährige aus Adelheidsdorf. Seit zwei Jahren ist sie im Ortsverein (OV) Celle engagiert, denn die JRK-Gruppen sind jeweils an die übergeordnete Einheit angegliedert. Fünf, und zwar Lachendorf, Wathlingen, Celle, Hambühren/Oldau/Ovelgönne (Allertal) und Bergen, der insgesamt 19 Ortsvereine verfügen über einen Nachwuchsbereich. „Erste Hilfe wollte ich schon immer beherrschen, ich finde es im Allgemeinen schön, Menschen zu helfen, und ich mag es, wenn ich weiß, wie ich mich in Notsituationen zu verhalten habe“, erzählt Lea. Sie hat einen Aspekt herausgegriffen, der gesellschaftlich hohe Bedeutung besitzt und sehr eng mit dem Roten Kreuz verbunden ist, aber Mitglied des Jugendrotkreuzes zu sein, beschränkt sich keineswegs darauf. Alle Themen, die für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene interessant sind, können angesprochen werden in den einmal pro Woche stattfindenden Gruppenstunden in den Häusern des jeweiligen Ortsvereins. „Den Leitfaden für die inhaltliche Ausgestaltung gibt der Landesverband Niedersachsen vor“, berichtet Leon Maahs. Er ist 18 Jahre und hat gleich drei Funktionen gleichzeitig inne. „Ich bin Gruppen-, Orts- und Kreisleiter.“ Wie seine beiden Mitstreiter auf der obersten Führungsebene, Sandra und Vincent, verfügt er über die vorgeschriebene Ausbildung für die Leitung der Gruppenstunden, die sich gliedern in diejenigen für die Sechs- bis Zwölfjährigen und solche für die 13- bis 27-Jährigen. „Ich werde auch bald den Juleica [Jugendleiter/in-Card, Basis für das ehrenamtliche Engagement in der Jugendarbeit] machen“, wirft Lea ein. Sehr zur Freude von Sandra, denn „wir haben einfach zu wenig Leute, die diese Aufgaben übernehmen“, lenkt sie die Aufmerksamkeit auf eines der Probleme im Nachwuchsbereich.
MITGLIEDERSCHWUND DURCH CORONA
Corona war die größte Herausforderung, der sich die Kreisleitung je gegenübersah. Jugendarbeit lebt von persönlichen Kontakten und entsprechend beklagen die engagierten Jugendrotkreuzler einen pandemiebedingten Mitgliederschwund. „Das war eine ganz schwierige Zeit für Kinder“, sagt Sandra, vor diesem Hintergrund sieht sie die Möglichkeiten des Jugendverbandes, eine Perspektive aufzuzeigen, als umso wichtiger an. „Wir sind ein sicherer Hafen, wir sind für Euch da!“, wendet sich die gelernte Industriekauffrau an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, einmal einen Versuch zu starten und bei einer Gruppenstunde dabei zu sein. Egal um welche Altersstufe es sich handelt – im Vordergrund steht das Miteinander. Spielerisch werden die Kinder an Erste Hilfe und das Verhalten in Notsituationen herangeführt. Bei Lea stehen diese Aufgaben ganz oben auf der Beliebtheitsskala, darüber hinaus sagt es ihr auch zu, „wenn man sich über Sachen austauscht, über die man sonst gar nicht so spricht.“ „Wir beschäftigen uns z.B. mit der Umwelt“, führt sie ein Beispiel an. „Es ist noch einmal anders, wenn man es in so einer kleinen Gruppe zum Thema macht als in der Schule, es ist mehr Small Talk, und wir bringen unsere eigenen Erfahrungen ein.“
Bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen bilden politische Fragestellungen und die Historie des Roten Kreuzes, aber auch handfeste Alltagsthemen, beispielsweise „Wie löse ich Konflikte?“ oder „Wie gehe ich auf Menschen zu?“, die Agenda. Allerdings gibt es für Lea ein Angebot, das Natur- und Umweltthemen und sogar Erste Hilfe noch toppt. „Wir fahren woanders hin“, umschreibt das Mädchen ihren absoluten Favoriten. „Alle zwei Jahre laden wir in ein Zeltlager ein“, erläutert Kreisleiterin Sandra. Für Seminare und andere Veranstaltungen steht das Haus des Jugendrotkreuzes in Einbeck zur Verfügung. „Wenn wir mal Gelegenheit erhalten, in Schulen präsent zu sein, ist das der Optimalfall“, berichtet Sandra.
WICHTIGER TEIL VON ETWAS GROSSEM
Für sie und auch für ihre beiden Mitstreiter, Vincent und Leon, nimmt nicht nur das Engagement für die Nachwuchsarbeit einen hohen Stellenwert ein, sie identifizieren sich mit der Organisation und ihren Zielen: „Für uns ist das Familie“, sagen sie übereinstimmend. „Das Jugendrotkreuz ist ein kleiner, aber wichtiger Teil von etwas so Großem“, führt das Trio als Motiv an. Durchschnittlich investieren sie zehn bis fünfzehn Stunden pro Woche in das JRK. „Es ist eine Lebenseinstellung, es gibt keinen Unterschied zwischen privat und DRK“, sagt Sandra, die mit sieben eintrat. Leon Maahs, der eine Lehre zum Medizinischen Fachangestellten absolviert und als ehrenamtlicher Ausbilder für den Erste-Hilfe-Bereich fungiert, ist quasi mit dem Roten Kreuz groß geworden. Beide Eltern sind aktive Mitglieder, der 18-Jährige trat mit fünf Jahren ein, mit dreizehn wurde er bereits Gruppenleiter. Dass es einen solchen DRK-Background nicht unbedingt braucht, beweist Vincents JRK-Biographie. „Ich bin erst seit drei Jahren dabei, habe aber immer schon etwas Ehrenamtliches gemacht“, berichtet der angehende Erzieher, für den das JRK ein „Ort voller motivierter Weltverbesserer ist.“ Worin bestand der Reiz für den über Zwanzigjährigen einzutreten? Die Antworten des 25-Jährigen unterscheiden sich gar nicht so sehr von denen der zehn Jahre jüngeren Lea: „Menschen helfen zu wollen und etwas für Umwelt und Politik zu tun. Wir gucken, was die Gesellschaft braucht und wie können wir ihr etwas Gutes tun“, führt Vincent als Gründe an und füllt damit Sandras Eingangsstatement, die Grundsätze zu vertreten, mit Leben. Lea identifiziert sich ebenfalls mit diesen Werten, aber die Frage, was ihr am allerbesten gefalle am Jugendrotkreuz, beantwortet sie mit: „Wenn viel gelacht wird, wenn ich mit den anderen zusammen bin, und es einfach Spaß macht.“
Kontakt: jrk(at)drkcelle.de
Lange Tradition im Dienst des gesellschaftlichen Miteinanders
Das Trio Sandra, Vincent und Leon agiert keineswegs nur als eine weisungsgebundene Nachwuchsvereinigung, sondern unabhängig. Denn das JRK, das 1925 in Berlin gegründet wurde, definiert sich als eigenständiger Jugendverband des Deutschen Roten Kreuzes, das junge Menschen an das Ideengut der 1863 von Henry Dunant (1828-1910) ins Leben gerufenen, weltweit größten humanitären Organisation heranführen möchte.
Seine Ziele sind soziales Engagement, Einsatz für Gesundheit und Umwelt, Handeln für Frieden und Völkerverständigung, politische und gesellschaftliche Mitverantwortung. Wenn Sandra von Grundsätzen spricht, dann meint sie Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität.
Auf Bundesebene werden seit 1999 Kampagnen entwickelt wie „Youth must act“ oder „Bleib COOL ohne Gewalt“. Die jüngste Kampagne läuft seit 2012 und beschäftigt sich unter dem Titel „Klimahelfer – Änder‘ was, bevor’s das Klima tut“ mit den humanitären Folgen des Klimawandels. Die Symbole des eigenen Jugendrotkreuz-Logos stehen für Weltoffenheit und den Menschen im Mittelpunkt.
Text und Fotos: Anke Schlicht